Die Batak Sumatras


"Sieh jetzt die Sonne noch einmal an, dann sei stille und
verlange nicht mehr nach uns, sondern nur nach deinen toten Kameraden."
(Rede eines Batak zum Leichnam, bevor der Sarg verschlossen wird)
(Von Brenner 1894: 235)




Die Batak-Völker




Die Batak-Völker - insgesamt ca. 3 Millionen Menschen - bewohnen den Norden der Insel Sumatra. Sumatra, die größte Insel Indonesiens, ist mit 525 564 km2 etwas mehr als doppelt so groß wie die Bundesrepublik (1).

Die Batak (2) bewohnen die Bergländer rings um den Toba-See; insbesondere die Insel Samosir wird als Zentrum ihres Territoriums angesehen. Sie bilden keine einheitliche Gruppe, so weichen z. B. die Batak-Sprachen, die nördlich und südlich des Toba-Sees gesprochen werden, stark voneinander ab. Im Süden und Westen des Toba-Sees leben die Toba, im Süden auch die Angkola- und Mandailing-Batak, im Norden und Osten die Karo und im Nordwesten die Pakpak. Die Karo Batak - insbesondere eine ihrer Gruppierungen, die Sembiring ("Schwarze") - standen unter einem stärkeren Einfluß der hindu-indonesischen Kultur als die anderen Batak. Die Basis der traditionellen Wirtschaft bildet der Reisanbau in bewässerten Feldern.

Die wichtigste politische Einheit ist das Dorf. Früher waren die Dörfer große, teilweise befestigte Anlagen. Die Kunst, mit der die Batak-Häuser gebaut, bemalt und mit reicher Ornamentik verziert wurden, hat das Interesse vieler Reisender und Ethnologen hervorgerufen (3).

Der wichtigste soziale Verband ist die Margo, eine große sippenähnliche Gruppe, die sich in Sub-Margas (patrilineale Klans) unterteilt. Sie sind exogam, d. h., daß unter ihren Mitgliedern Heiratsverbot besteht. Jede Marga besteht aus miteinander verwandten Sippen, die sich zusammen auf einen gemeinsamen, meist schon mythischen Ahn zurückführen, der vor l5 bis 20 Generationen gelebt hat.

Die Batak gelten als eines der fortschrittlichsten Völker Indonesiens. So sind z. B. viele Batak Ärzte,
Rechtsanwälte usw. Mit der Loslösung von der traditionellen Kultur wurden aber viele Sitten - vor allem die Herstellung bestimmter Gegenstände für das Totenritual wie die der Totenschiffe - in den Hintergrund gedrängt und gehören mittlerweile der Vergangenheit an.

Einen Abriß von den vielfältigen und komplexen Erzählungen sowie Schöpfungsmythen der Batak allgemein zu geben (die bereits zwischen den einzelnen Gruppen variierten), ist hier nicht beabsichtigt. Von der reichen oralen Tradition der Batak ist zudem wenig bekannt (4).

Ein zentraler religiöser Begriff ist der des Tondi, welcher nur ungenau als "Seele" übersetzt werden kann; es beinhaltet aber auch Lebenskraft, Geschick und Temperament. Tondi hat einen eigenen Willen und eigene Wünsche, so daß er nicht als passive Kraft im Menschen verstanden werden darf. Tondi befindet sich vorwiegend im Kopf, Blut und in der Leber. Mit dem Tod verläßt er den Menschen, und der Tote wird zum Begu (5).

Die Begu leben weiter mit der Eigenschaft - charakteristisch auch bei anderen Völkern -, daß sie alles entgegengesetzt zu den Menschen machen. Ein Batak Medium kann mit ihnen in Kontakt treten und den Lebenden ihre Wünsche und ihr Befinden übermitteln. Dies ist für die Batak von großer Bedeutung, da zum großen Teil das Wohlergehen der Menschen auch vom Wohlergehen ihrer verstorbenen Verwandten abhängt. Aber auch
die Toten sind von den Lebenden abhängig: ein Begu mit zahlreichen Nachkommen, die für ihn bestimmte Rituale durchführen, kann eine Rangerhöhung erfahren. Nach besonders aufwendigen Ritualen kann er zum Sumangot aufsteigen. Weit höher steht der Sombaon ("Anbetungswürdiger"). Für diesen Anlaß zieht sich das Fest über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten hin.

Von einem Totenreich im engeren Sinne kann man bei den Batak nicht sprechen, da es mehrere gibt. Als solche können die verschiedensten Schichten des Kosmos fungieren. Dies ist m. E. kein Zeichen dafür, daß die Vorstellungen vom Totenreich bei den Batak unklar und konfus sind (6), sondern daß sie plastisch sind: Ein genau definierter Ort als Totenreich besteht nicht, er liegt entweder in der Unterwelt oder in den verschiedenen Orten der Mittelwelt (welche von den Menschen bewohnt sind) oder in der Oberwelt. Aus den Quellen gewinnt man den Eindruck, daß für die Batak der ganze Kosmos von den Verstorbenen beseelt ist.

Im folgenden konzentriere ich mich vor allem auf die Gegenstände, die in der Ausstellung zu sehen sind, und auf die Rolle, die sie in den Begräbnisriten spielen bzw. spielten. Die Gegenstände stammen von verschiedenen Batak-Gruppen; einige von ihnen (wie die Si gale gale-Figur) wurden nur von einer Batak-Gruppe benutzt (den Toba-Batak). Die Masken, die bei Begräbnissen der wichtigsten Persönlichkeiten benutzt wurden, wurden bei den Karo-, Toba- und Simalungun-Batak hergestellt. Die Särge in Bootsform waren bei den Karo-Batak in Gebrauch. Die Totenschiffe wurden ihrerseits nur von den Mitgliedern der Sembiring, einer der fünf Marga der Karo-Batak, hergestellt.

Wenn wir uns auf die Gegenstände des Totenkults konzentrieren, dürfen wir nicht außer acht lassen, daß es oftmals gerade von den einzigartigen kulturellen Erscheinungen des Totenkults keine Zeugnisse gibt. So besteht z. B. bei den Batak-Völkern - wie auch bei allen anderen Kulturen Indonesiens - die Auffassung bzw. die Furcht vor einem "schlimmen Tod". Menschen, die auf eine bestimmte Art gestorben sind, heben sich von den anderen Verstorbenen ab. Für sie sind die Begräbnisarten von den übrigen abweichend. Der schlimmste Tod ist für die Karo Batak (7) der von einer im Kindbett verstorbenen Frau. Da man annahm, daß die Frau aufgrund eines schweren Verbrechens gestorben war, verweigerte man ihr ein ehrenvolles Begräbnis. Gerade diese Sterbefälle - für die keine Gegenstände hergestellt wurden - waren für die Karo-Batak bedeutend, da man ihre unheilvolle Totenseele fürchtete. Auch die im Krieg Gefallenen, Ermordeten und Selbstmörder wurden in einer abweichenden Art begraben.



Särge




Gurusingga bei Berastagi, Sumatra
Foto A. Sibeth

Für wohlhabende Tote wurde bei den Karo-Batak ein Sarg in Gestalt eines Bootes geschnitzt (8), der oft am Bug mit einem geschnitzten Nashornvogelkopf verziert war. Mit Harz wurde der Deckel abgedichtet und der Sarg an der Außenseite des Hauses unterhalb der Dachtraufe aufgestellt. Der Sarg verblieb an diesem Ort, bis die letzte Stufe der Bestattungszeremonie stattfinden konnte. Bis dahin vergingen ein bis zehn Jahre, je nachdem wie stark die Hinterbliebenen von den mit dem Fest verbundenen Kosten beansprucht wurden. Nach dieser Zeit wurde der Sarg geöffnet und die Überreste wurden herausgenommen; der Schädel und die großen Knochen wurden gereinigt und in einem Schädelhaus (Geriten) deponiert. Manchmal wurden sie auch verbrannt. Das Schädelhaus ist eine Nachbildung des Wohnhauses; neuere Gräber geben die alte, traditionelle Form - jedoch in Beton - wieder.



Tomok, Samosir, Sumatra
Foto A. Sibeth

Totenschiffe wurden nur von den Sembiring, eine der fünf Marga (Patriklan) der Karo-Batak, angefertigt (9). Die Sembiring verbrannten den Toten; seine Asche wurde aufgesammelt und in irdenen Töpfen aufbewahrt. Die Asche kam später in ein Totenschiff, welches so als zweiter und endgültiger Bestattungsort diente. Diese Handlung war ein Teil der großen Totenfeste, die der Vergangenheit angehören: Das letzte Totenfest fand am Anfang dieses Jahrhunderts statt.

Das kostspielige Fest wurde damals von der holländischen Koloniolverwaltung aus wirtschaftlichen Gründen verboten. Auch andere große indonesische Feste wurden aus denselben Gründen verboten.

Das Totenfest, Pekualam oder Púgu wáluch ("das Fest des Totenschiffes") (10), wurde in unregelmäßigen Zeitabständen veranstaltet. Dafür hob man die Asche der Verstorbenen zwischen einem und zwölf Jahren auf. Das Fest war eine wichtige soziale Angelegenheit für alle Sembiring, da sich verschiedene Gruppen für das Fest versammelten und die Asche der seit dem letzten Totenfest Verstorbenen mitbrachten.

Einige Tage vor dem Fest wurden Bäume gefällt und die Totenschiffe hergestellt. Die Boote waren ca. zwei Meter lang und mit vier oder acht Figuren besetzt, die jeweils einen Toten darstellten. Die Asche bzw. die Töpfe mit den Aschen wurden auf das Totenschiff gestellt.

Das Fest erstreckte sich über mehrere Tage. Am ersten Tag vollzog sich eine intensive Trauer um die Verstorbenen, die von Musik und dem Abfeuern von Gewehren begleitet wurde. Dies ist insofern interessant, da das Abfeuern von Gewehren auch in anderen Augenblicken der Bestattung eine Rolle spielte. Die Boote haben oft einen Gewehrträger am Bug, jedoch weiß man nichts Genaues über diese Figuren, da darüber die Informationen fehlen. Man kann aber annehmen, daß sie eine schützende Funktion haben wie z. B. bei den Dayak auf Kalimantan, bei denen die Figur am Bug des Totenschiffes den schützenden Herrn der Toten darstellt.

Nach mehreren Tagen, in denen sich u. a. orgiastische Szenen abspielten, wurden die Totenschiffe gewöhnlich in den Fluß gehoben. Während sie sich vom Ufer entfernten, versuchten die Zuschauer, die Schiffe mit Stöcken und Steinen zum Kentern zu bringen. Die Quellen liefern keine Erklärung für diese Handlungen, doch wird angenommen, daß man damit die Übergabe der Asche an den Fluß beschleunigen und evtl. auch vermeiden wollte, daß sich jemand weiter flußabwärts unberechtigterweise der Asche bemächtigte. Es ist m. E. auch möglich, daß die Sembiring damit endgültig von den Verstorbenen Abschied nahmen. Die Schiffe mit der Asche der Verstorbenen zum Kentern zu bringen, bedeutete demnach vielleicht das endgültige Aufhören der Trauer.




Si gale gale




Prapat, Sumatra
Foto J. Agthe 1976


Die Toba-Batak fertigen für bestimmte Begräbnisrituale eine hölzerne Figur, die Si gale gale, an (11). Nach dem Ableben eines reichen Mannes oder einer Frau, die ohne Nachkommen gestorben sind, wird eine größere Puppe aus Holz hergestellt. Diese hat Haare aus Roßhaar und bewegliche Arme und Beine. Sie wird auf einen großen Kasten mit Rädern gestellt. Ein Mann zieht nun mit großer Kunstfertigkeit an den Schnüren der Figur, wodurch diese die typischen Bewegungen eines batakschen Tänzers ausführt und dabei Freunde und Verwandte des Verstorbenen umarmt. Währenddessen besingt eine alte Frau die Tugenden des Verstorbenen. Die Augenlider sind oft beweglich, und manchmal kann sie sogar weinen, wenn in ihren Kopf ein nasser Schwamm gesteckt wurde. Früher wurde bisweilen der Si gale gale-Figur ein Ahnenschädel auf den Rumpf gesteckt; ansonsten wurde das Gesicht aus einem Brei aus weißen Baumwollfasern und Reismehl gemacht (2).

Die Anfertigung der Si gale gale und die damit verbundenen Zeremonien sollen die Seele des Verstorbenen besänftigen, damit sie keinen bösen Einfluß auf die Lebenden ausüben kann, und ihr die Reise ins Jenseits ermöglichen. Aus diesen Gründen sind m. E. die Zeremonien der Si gale gale ein Versuch der Lebenden, die Gefahr des "schlimmen Toten" von den Hinterbliebenen abzuwenden. Als "schlimmer Toter" wird derjenige verstanden, der stirbt, ohne Kinder gezeugt zu haben. Das Sterben ohne Nachkommenschaft ist für die Batak-Völker die Verkörperung des Unheilvollen schlechthin. Dies wird auch aus der Bezeichnung des Si gale gale-Tanzes deutlich, welcher in der Batak-Sprache Papuropur sepata genannt wird und in etwa mit "Abwendung des Fluches" übersetzt werden kann (13).

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, daß die Si gale gale-Figur einerseits die Funktion hat, den "schlimmen Toten" zu symbolisieren und andererseits die fehlende, trauernde Nachkommenschaft des Verstorbenen zu ersetzen. Über den Ursprung der Si gale gale gibt eine Erzählung der Toba-Batak Auskunft; sie soll hier wiedergegeben werden:

»Ein Schnitzer sah einmal im Wald einen Baum, der so groß war wie ein Mensch und keine Zweige hatte. "Schnitzte man eine Figur aus diesem Baum, so wurde sie gewiß sehr schön," dachte er und begab sich ans Werk. Er schnitzte eine schöne Frauenfigur, und als sie vollendet war, ging er nach Hause.

Nachdem er weggegangen war, kam ein Händler, der mit Kleidung und Goldschmuck handelte, vorbei. Er sah die Figur und schmückte sie. Doch als er am Abend die Figur wieder vom Schmuck befreien wollte, gelang es ihm nicht. So weinte er über seinen Verlust und ging nach Hause.

Dann kam ein Heiler vorbei, der im Besitz einer Medizin war, die das Leben verlängern und die Toten zu neuem Leben erwecken konnte. Überrascht von der Schönheit der Figur, gab er ihr von seiner magischen Medizin. In die Holzfigur kam Leben, und sie wurde zu einem schönen Mädchen, das er mitnahm.

Die Frau des Heilers freute sich über sie sehr, nahm sie als Tochter an und nannte sie Nai Manggale. Sie nahm sie mit zum Markt, wo sie vor den Leuten tanzte, die sie begeistert betrachteten.

Als der Bildhauer und der Händler von dieser Nachricht hörten, gingen beide zum Heiler und beanspruchten jeder Nai Manggale für sich.

"Sie ist meine Tochter, weil ich ihr Bild geschnitzt habe," sagte der Bildhauer.

"Sie ist meine Tochter, weil ich sie kleidete und schmückte," sagte der Händler.

"Sie ist meine Tochter, weil ich sie zum Leben erweckt habe" sagte der Heiler.

Es war unmöglich, eine Lösung zu finden, bis ein Mann folgendes vorschlug. Der Heiler sollte als ihr Vater angesehen werden und würde sie verheiraten dürfen. Der Händler sei ihr Bruder, und als solcher sollte er einen Teil der Mitgift bekommen. Der Bildhauer sei ihr Onkel und sollte ebenfalls einen Teil der Mitgift erhalten.

So kam es nun, daß ein Mann die schöne Nai Manggale heiraten wollte. Doch diese war nicht bereit einzuwilligen, weil er nicht so gut aussah wie sie. Er aber wendete so lange magische Kräfte an, bis sie zusagte. Die Zeit verging, und sie waren schon lange verheiratet, doch noch immer hatte Nai Manggale ihrem Mann keine Kinder geboren. Sie wurde krank, und bevor sie starb, sagte sie zu ihrem Mann, daß der Bildhauer eine Figur von der Größe ihres Korpers schnitzen und sie "Si gale gale" nennen sollte. Vor dieser sollten die Leute ein Trauerlied singen. Wenn man dies unterließe, würde ihre Seele nicht ins Land der Toten eingelassen. Dann würde sie keine Ruhe finden und ihren Mann so verzaubern, daß er weiterhin keine Kinder haben konnte« (14).

Maskentänze (15) spielten bei den Toba- und den Simalungun-Batak während der Begräbnisfeiern eine besondere Rolle. Früher setzte ein Sklave des Verstorbenen die Maske auf und ahmte mit zwei hölzernen Händen die Bewegungen seines Herrn nach. Im Verlauf des Festes wurde er getötet, damit er seinen Herrn ins Jenseits begleiten konnte. Mit der Abschaffung der Sklaverei durch die Holländer hörte auch das Töten der Sklaven auf; die Maskentänze wurden jedoch weiter veranstaltet.



Anmerkungen

1) Über Geschichte und Entwicklung Sumatras s. Agthe 1979.
2) Hierzu vgl. Lebar 1972: 20ff., Stöhr 1975:139ff.
3) U. a. Barbier 1983.
4) Münsterberger l939: 63-110; Loeb l935: 74ff., Stöhr l975:18-32; Warneck l899,1909: 4ff.
5) Über die Begriffe des Tondi und Begu vgl. Stöhr 1965: 9, Tobing 1956: 94ff., Warneck 1909 8ff.
6) Stöhr 1968 94ff.; Warneck 1909: 9f.
7) Vgl. Sell 1955 92ff.
8) Im folgenden stütze ich mich auf Sibeth 1988: 123ff., der die älteren Quellen bearbeitet hat.
9) Dieser Abschnitt basiert auf Sibeth 1988.
10) v. Brenner 1894: 238.
11) De Lorm und Tichelman 1941: 32-41; Loeb 1935: 73; Schnitger 1939: 135.
12) Winkler 1925: 131.
13) Cameron 1985: 85ff., Schnitger 1939:135.
14) Schnitger 1939:136-138.
15) S. Cameron 1985 85; De Lorm und Tichelman 1941 42-50; Loeb 1935: 74.